Wir Manager waren die letzten Jahre richtig erfolgreich. Die Unternehmen sind zum Paradies geworden. So viele Menschen in Arbeit wie nie, die Wirtschaft brummt. Also ganz klar: Führung läuft bestens! Sieht so aus als bräuchten wir keine neuen agilen Ansätze und Selbstorganisation. Oder vielleicht doch?
Trotzdem scheinen wir Manager irgendwie festzustecken. Wir befinden uns in ganz neuen und nicht bekannten Situationen. Unsere Organisationen sind zwar (hoch-)profitabel, zehren aber in großem Maße von dem, was wir bis dato erreicht haben. In vielen Bereichen sind deutsche Unternehmen Marktführer, allerdings wird der Abstand zum Wettbewerb immer geringer. Oft gibt es keine nennenswerten Innovationen bei den vorhandenen Produkten.
Was geht nicht in Führung
Viele Manager auf der mittleren Ebene suchen Unterstützung und Beratung. Sie sagen:
- Wir liefern nicht schnell genug.
- Die Mitarbeiter sind nicht motiviert.
- Wir kennen den Status der Projekte nicht.
- Die Qualität des Gelieferten reicht nicht.
- Die Zahl der Krankenstände ist extrem hoch.
- Wenn es wirklich darauf ankommt, sind Mitarbeiter nicht mehr bereit, Überstunden zu machen.
Sieht fast so aus, als brauche es neue Ideen und Ansätze. Mitarbeiter lassen sich nicht mehr so einfach „lenken“, wie wir uns Manager das vorstellen. Trotz vorhandener Erfolge müssen wir uns fragen: „Wie können wir erfolgreich führen?“
Zur Führung gehört die Selbstorganisation
Die meisten Unternehmen sind wie Maschinen geworden, die liefern – immer das Gleiche. Interne Prozesse werden nicht funktionaler – sie werden umständlicher und bürokratischer. Gleichzeitig verändert sich der Markt draußen grundsätzlich. Die zunehmende Anspruch ist greifbar: Unsere Kunden wollen immer schneller das Neueste und der Druck durch den Wettbewerb steigt. Das was bis dato gerade noch reichte, um die Kunden zufriedenzustellen, reicht jetzt schon nicht mehr oder wird bald nicht mehr reichen. Die Angst wächst, nicht mehr mithalten zu können. Wir stellen fest, dass Manager den internen Druck erhöhen, weil sie draußen bemerken, dass sich was dreht. Alles muss schneller laufen bei besserer Qualität. Beschleunigung heißt das Schlüsselwort. In den Unternehmen lässt sich ein interessantes Phänomen beobachten: Verantwortung, die an die Mitarbeiter delegiert wurde, kommt postwendend zurück. Unsere Mitarbeiter wollen die Verantwortung gar nicht. Sie können mit ihr nicht umgehen und verabschieden sich mit Burn-Out in die Auszeit. Warum sind Mitarbeiter demotiviert, und warum lehnen sie Verantwortung ab, statt sie anzunehmen? Es fehlt die Führung! Selbstorganisation bedeutet eben nicht, die Mitarbeiter einfach „laufen zu lassen“. Selbstorganisation braucht Führung. Aber wo liegen die Probleme?
Die Effizienzfalle
Ganz einfach: Wir sind Weltmeister im optimieren. Aber so langsam hat es sich ausoptimiert. In unseren Unternehmen müssen die Mitarbeiter Höchstleistungen bringen. Mit weniger Menschen als je zuvor werden Rekordgewinne erzielt. Das ist nur möglich, weil
- Die Produktion in einfachen ewig gleichen Standardprozessen in Billiglohnländern erledigt wird und
- Die Automatisierung gleiche standardisierte Prozesse deutlich effizienter abwickelt, als es Menschen je könnten.
Mehr vom ständig Gleichen führt zur Sättigung. Weiteres Optimieren bringt ab einem gewissen Punkt keine zusätzlichen Gewinne. Es bleibt nur noch der Kollaps. Schauen wir uns das ungeschminkt an: Organisationen sind optimal für das aufgestellt, was sie gerade tun – ganz und gar nicht aber für zukünftige Aufgaben. Es braucht eine interne Kultur für dieses Denken, es ist notwendig ständig wachsam zu sein. Wir Manager müssen ständig die Entwicklungen im Auge behalten, statt immer weiter die Effizienz zu optimieren. Es gilt neue Strukturen zu erschaffen, die
- Zukünftige Trends ins Unternehmen holen und die Mitarbeiter immer wieder über das informieren, was in der Umwelt vorgeht.
- Anreizsysteme etablieren, die es honorieren, wenn sich die Mitarbeiter mit dem Geschehen am Markt beschäftigen.
- Dringlichkeit spürbar machen.
Die Engagementfalle
Immer wieder lässt sich beobachten, dass Mitarbeiter ihre Energie und Potenzial außerhalb der Organisationen nebenberuflich oder ehrenamtlich in Vereinen einbringen. Wie kann das sein? Ganz einfach: wir schaffen als Manager keine Bedingungen, in denen sich Mitarbeiter mit dem gleichen Engagement und derselben Kreativität einbringen können und wollen. Genau diese Kreativität ist es aber, die wir von Wissensarbeitern wollen. Was wir bekommen sind gelangweilte Mitarbeiter, die vielleicht ihren Job verrichten aber häufig genug schon innerlich gekündigt haben – sie haben ja andere Wege ihre Leistungsfähigkeit zu zeigen.
Die Demografiefalle
Der Umbruch steht unseren Organisationen ins Haus: Wir überaltern. Die jungen Mitarbeiter, die in der vernetzten Welt groß geworden sind, sind rein zahlenmäßig heute noch in der Unterzahl. Sie haben neue Ideen und wollen anders arbeiten, gegen den Einfluss der Älteren, der sogenannten Babyboomer, haben sie aber keine Chance. Sie sind einfach zu wenige und haben nicht den Macht bzw. stehen (noch) nicht auf den entsprechenden Hierarchiestufen. Dies ist die Voraussetzung, um fundamentale Veränderungen zu verwirklichen. Gegen die Mentalität der Babyboomer ist aktuell noch kein ankommen. Kreative und neue Impulse werden nicht zugelassen, weil die Älteren die Möglichkeiten nicht nachvollziehen können, die im Befähigen zum eigenverantwortlichen Arbeiten und im miteinander Arbeiten stecken – im Gegenteil fürchten sie um das „Althergebrachte“. Die erarbeiteten Privilegien stehen auf einmal auf dem Prüfstand. Neue Formen der Arbeit stellen ganz neue Anforderungen an die Manager, denen sie nicht gewachsen sind und die eigene Machtposition unterminieren.
Sinnvolles Beteiligen statt verwöhnen
Die junge Generation fordert eine neue Beteiligung an der Organisation. Es herrscht der Wunsch anders zu arbeiten. Sie sind nicht ohne Weiteres bereit, die Karrierejagd ohne Rücksicht auf Verluste mitzumachen. Das ist nicht zuletzt deshalb so, weil diese Generation erlebt, wie wir, Eltern und Verwandte, an Bore-out, Burn-out, Herzinfarkt und Überfettung leiden. Natürlich hilft Geld dabei, dies alles erträglicher zu machen. Muss es aber nicht, sofern das Arbeiten selbst zu einem erfüllten Leben beitragen kann. Junge Leute möchten heute ein angenehmes Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben. Karriere ist nicht mehr zwangsläufig gleichzusetzen mit imposanten Titeln. Karriere ist vielmehr, sich mit seinem Leben wohl zu fühlen und Spaß an der Arbeit zu haben.
Aber auch hier gibt es eine Kehrseite – die Übersteigerung. Zwischen motivierenden und grandiosen Arbeitsbedingungen und völlig überzogenen Ansprüchen liegt nur ein schmaler Grat: Kümmern schlägt schnell ins Verwöhnen um. Die nicht vorhandene Frustrationstoleranz der Jungen liegt vielleicht auch darin begründet, dass heute alles sofort und direkt bereitgestellt werden muss. Warten ist eine Vokabel, die immer weniger von uns in ihrem Wortschatz haben. E-mails sind gefälligst direkt zu beantworten. Viele können Gesprächen gar nicht mehr folgen, weil sie parallel unterm Tisch mit dem Smartphone hantieren und posten was das Zeug hält. Alles was das Herz begehrt gibt es heute online. Auf Knopfdruck – frei Haus. Für uns Manager ist es schwer zu erkennen, wo genau das motivierende, menschliche und fordernde, produktive Arbeitsklima aufhört und ein verlockend angenehmes, unproduktives und „verwöhntes“ Klima anfängt. Um nicht der Übertreibung an Forderungen nach Beteiligung und „alles-mitentscheiden-Wollen“ nachzukommen, brauchen wir Manager die Balance in uns selbst und müssen das richtige Maß finden. Fehler werden uns dabei allen passieren. Die beschriebene Situation ist schließlich neu – und Patentrezepte gibt es sowieso nicht.
Inspiration zu diesem Beitrag: Boris Gloger/Dieter Rösner: Selbstorganisation braucht Führung