Renaissance der Hierarchien

Die Unternehmen probieren sich an verschiedenen Organisations- und Führungsstrukturen. Im Unterschied zur Vergangenheit herrscht kein einzelnes Leitbild, an dem sich alle gleichermaßen orientieren. Es bestehen Ansätze zum Netzwerk, zur Soziokratie und die Hierarchie erlebt eine Renaissance. Die Organisation muss sich der individuellen Situation anpassen.

Mitarbeiter stellen andere Anforderungen

Die Mündigkeit der Mitarbeiter ist ein entscheidender Punkt bei der heutigen Debatte um Hierarchieabbau und Mitbestimmung, die sich von vergangenen unterscheidet. Die Unternehmenslenker wollen heute die festen, pyramidenförmigen Organisationsstrukturen umformen, um sich unternehmerische Vorteile zu verschaffen. Auch die Reaktion auf einen gesellschaftlichen Wandel spielt dabei eine Rolle. Forderung nach mehr Transparenz, mehr Mitbestimmung und mehr Eigenverantwortung kommen von den Mitarbeitern. Dabei reicht die Stellvertreterregelung über den Betriebsrat nicht mehr aus. Die Verantwortlichen müssen sich bei der Änderung der Organisationsstrukturen am Wertewandel der Gesellschaft und damit auch der Mitarbeitern orientieren.

Zeitalter der Experimente

Wie passen die Unternehmen in der Praxis ihre Organisationsmodelle an eine Zeit an, die durch stetigen Wandel, Digitalisierung und dem Wunsch nach Mitbestimmung geprägt ist? Wer Mut zum Experiment sucht, blickt häufig ins Silicon Valley. Hier ergeben sich teilweise erstaunliche Erkenntnisse. In Übersee kehren Unternehmen zu ihren ursprünglichen Strukturen zurück. Wiedereinführung von Hierarchien und Performance Management der alten Schule sind vorhanden. Viele deutsche Unternehmen setzen nicht auf ein Modell in Reinform. Man ist auf der Suche nach dem besten Weg – da spielen auch Hierarchien an den passenden Stellen eine Rolle.

B. Braun Melsungen- weg von der Rolle des allgegenwärtigen Kontrolleurs

Wie ist B. Braun vorgegangen um eine neue Form der Führung zu initiieren? – Am Anfang stand der Wunsch nach mehr Agilität und Selbstverantwortung, das Aufbrechen des Organigramms als Ziel. Alle administrativen Bereiche verändern sich in langsameren Tempo als der Rest. Der HR-Bereich und Unternehmenskommunikation sollten sich neu erfinden. Es galt einen neuen, zum Unternehmen passenden Weg der Zusammenarbeit zu finden: mehr Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter, mehr Transparenz und ein engerer Austausch zwischen Abteilungen und Teams. Außerdem sollten Möglichkeiten geschaffen werden, den Mitarbeitern mehr Perspektiven zu bieten. Ansätze wie Holacracy, Design Thinking und Scrum werden als Methodenkoffer verstanden. Zunächst geht es allerdings darum, die Führungsrollen in den Teams neu zu verteilen und zu ermitteln, was die Mitarbeiter dafür lernen müssen. Der entwickelte Ansatz trägt den Namen „Tasks und Teams“

Veränderungen – Die ersten Schritte

Angefangen hat B. Braun in den Bereichen Corporate HR und Corporate Communications. Vorgabe war lediglich, transparenter zu sein, besser zusammenzuarbeiten, weniger Silodenken und mehr Vernetzung – das Organigramm-Denken aufbrechen. Zunächst wurden sogenannte Kreise eingerichtet. Diese Teams behandeln zentrale Themen wie Selbstbild, das Selbstverständnis oder der Zweck der Abteilung. Einer der Kreise trägt den Namen „Koordination“ und beschäftigt sich mit der Verteilung der Projekte und Aufgaben innerhalb der Bereiche.

Die neue Rolle der Führungskraft

Führungskräfte übernehmen die Rolle der Enabler und Coaches. Sie begleiten die Mitarbeiter bei der Bewältigung ihrer Aufgaben – stehen mit Ratschlägen zum Projekt oder zu einer Präsentation zur Seite. Dort nehmen Führungskräfte eine starke Rolle ein. Sie haben auch nach wie vor das letzte Wort, wenn es um die Priorisierung von Projekten geht. Es gilt zu koordinieren, eine Überlastung zu erkennen und bei Abstimmungsbedarf zu unterstützen, wenn sich z.B. ein Mitarbeiter für ein Projekt meldet, obwohl er schon woanders gebraucht wird. Priorisierung ist und bleibt ein großes Thema. Die Führungskraft übernimmt hier eine Art Schutzfunktion für die Mitarbeiter.

Entscheidungskraft der Mitarbeiter

Es stehen verschiedene Entscheidungsprinzipien zur Auswahl: Konsens, Konsent oder konsultativer Einzelentscheid. Zu Beginn der Kreisarbeit erfolgt die Definition der Entscheidungskriterien der Kreis-Arbeit.

Konsens:
Es erfolgt eine Entscheidung, der alle Mitglieder uneingeschränkt zustimmen. Konsens ist oft schwer und der Entscheidungsprozess dauert lange. Für Entscheidungen von weitreichender Bedeutung ist der Konsens das Ziel.

Konsent:
Die Entscheidung ist ein Vorschlag. Der Einwand der Gruppe wird abgefragt. Dabei geht es nicht darum, was man gerne hätte. Vielmehr ist von Bedeutung, ob sich mit dieser Entscheidung leben lässt. Gibt es Einwände, muss der Grund bekannt sein, damit der Entscheidungsprozess durch Moderation angepasst werden kann, bis keine Einwände mehr vorliegen. Entscheidungen werden systematisch getroffen, ohne endlose Diskussionen.

Konsultativer Einzelentscheid:
Eine Person/Rolle hat die Macht zur Entscheidung, muss allerdings eine vereinbarte Zahl Personen konsultieren. Entscheidungen sind schnell möglich, der Prozess der Konsultation muss klar festgelegt sein.

https://www.arbeitenviernull.de/experimentierraeume/praxisbeispiele/bbraun-3-fragen-an-anna-stoeber.html

Inspiration zu diesem Blog: Stefanie Hornung: „Wir müssen weg von der Rolle des allwissenden Kontrolleurs – Personalmagazin 3/2019

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