Wie kann langfristig der Bedarf an gut qualifizierten Fachkräften und Managern gedeckt werden? Schlüssel hierzu scheint die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben. Viele Unternehmen setzen mittlerweile auf Maßnahmen einer familien- und lebensphasenorientierten Personalpolitik. Was das genau bedeutet wollen wir uns gemeinsam anschauen:
Was Arbeitgeber attraktiv macht
- Unternehmen wollen bei Ihren Wunsch-Bewerberinnen und Bewerber als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen werden.
- Vereinbarkeitskonflikte über verschiedene Lebensphasen sollen so aufgelöst werden, dass die Beschäftigten auf der Stelle bleiben wollen und können.
- Es kommt zur optimalen Nutzung aller vorhandenen Potentiale
- Attraktivität des beruflichen Aufstiegs auch für die Talente, die Familien- und Privatleben nicht dauerhaft der Karriere unterordnen möchten.
- Vermeidung überraschender Wechsel der eigenen Mitarbeiter zu anderen Arbeitgebern.
Für die Studie „Vereinbarkeit 2020“ von berufundfamilie wurden mehr als 1000 Beschäftigte gefragt, wie die individuellen Werte, Ziele und Interessen berufliche Entscheidungen beeinflussen, aber auch die Nachfrage nach Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Privatleben.
Entscheidungen zur Vereinbarkeit sind individuell
Der Megatrend der Individualisierung verlangt zunehmend differenzierte Lösungen zur Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Privatleben. Nur so können talentierte und gut qualifizierte Mitarbeiter klar und zuverlässig Karriereentscheidungen treffen, die den langfristigen Personalbedarf des Unternehmens decken. Dabei scheint nicht nur das Vorhandensein konkreter Instrumente der Vereinbarkeit von Bedeutung. Vielmehr spielt die ganz individuelle Entscheidung eine Rolle, das gegebene Instrument auf eine bestimmte Art und Weise zu nutzen.
Genauer ausgedrückt bedeutet das:
- Der Bedarf wird seitens der Arbeitgeber aufgrund äußerer Umstände der Beschäftigten eingeschätzt. Das sind Geschlecht, Berufsphase, Lebensalter und familiäre Umstände, die sich meist anhand der Zahl minderjähriger Kinder orientiert.
- Beschäftigte treffen ihre beruflichen Entscheidungen allerdings aufgrund individueller Lebensentwürfe. Äußere Umstände spielen dabei zweifelsohne eine wichtige – aber nicht die entscheidende Rolle. Persönliche Werte, Einstellungen und die Wahrnehmung des beruflichen Umfelds geben den Ausschlag.
Das führt dazu, dass aus der Perspektive der Arbeitgeber eine ähnliche Gruppe an Menschen in ähnlichen Situationen zu anderen Entscheidungen kommt. Haben Kinder Probleme in der Schule, gibt es Eltern, die die Arbeit reduzieren. Andere kümmern sich um eine Nachhilfe. Auch bei der Pflege von Angehörigen sehen wir unterschiedliche Verhaltensweisen: einige Menschen suchen sich so viel professionelle Unterstützung wie möglich. Auf der anderen Seite gibt es Personen, die selbst pflegen und dafür zumindest zeitweise aus dem Job aussteigen.
Einfluss individueller Lebensentwürfe auf die Arbeit
Individuelle Entscheidungen lassen sich erklären und vorhersagen. Hierzu arbeitet die Markt-, Wahl- und Sozialforschung mit Lebensentwürfen von Menschen. Auf den beruflichen Kontext bezogen haben Lebensentwürfe Einfluss auf unterschiedliche Umstände:
- Welche Prioritäten setzen Menschen im Berufs- und Privatleben?
- Wie wird die Vereinbarkeit konkret nachgefragt? Unterscheiden sich die verschiedenen Branchen?
- Welche Angebote dienen den Beschäftigten – und welche nicht?
Für die Umsetzung in eine Personalpolitik lassen sich Lebensentwürfe bis dato noch nicht systematisch nutzen. Die Einteilung in grundlegende Typen schafft Abhilfe. Sie liefert den Ansatz eine Strategie der Vereinbarkeit zu operationalisieren. Die Studie „Vereinbarkeit 2020“ hat verschiedene Cluster definiert.
Ein Instrument – viele Facetten
Für den Fall, dass wir konkrete Instrumente der Vereinbarkeit als Brücke zwischen Beruf, Familie und Privatleben wahrnehmen, sind diese in unterschiedlichster Art und Weise anschlussfähig an die verschiedenen Lebensentwürfe:
Eine Gruppe von Menschen erwartet flexible Arbeitszeiten und Arbeitsorte als Arbeitgeberangebot. Diese Personen wollen prinzipiell erwerbstätig sein, aber auch privaten und beruflichen Verpflichtungen nachgehen können. Eine bestimmte Karriereentscheidung ergibt sich nur, wenn diese Instrumente an konkrete berufliche Ziele gebunden sind. Das folgt nicht automatisch aus dem Lebensentwurf dieser Menschen. Aus strategischer Sicht ist diese Lücke mit individueller Karriereberatung und Personalentwicklung zu schließen.
Eine andere Gruppe verfolgt ein sehr klares Karriereziel. Außerdem ist diesen Menschen eine Vereinbarkeit sehr wichtig, die Raum für maximale Selbständigkeit gibt und auch Väter unterstützt. Das gibt Anlass zur Annahme, dass eine unterstützende Führungskultur und Organisation der Arbeit flankierend wirken. In diesem Fall ersetzt Ergebnisorientierung Präsenz.
Eine dritte Personengruppe möchte auch eine Vereinbarkeit erreichen, aber nicht vor dem Hintergrund Kinder oder Pflege. Sie sehen für die eigene Person die Vereinbarkeit als am wenigsten gegeben an. Aber auch sie stehen vor der Herausforderung, Erwerbstätigkeit und Privatleben unter einen Hut zu bekommen. Viele Mitglieder dieser Gruppe haben keine familiären Verpflichtungen.
Gute Vereinbarkeit braucht klaren Karriereplan
Verschiedene Studien haben ergeben: Karriere machen die, die einen entsprechenden Wunsch sehr konkret äußern. Mit einem Lebensentwurf der karriereorientiert geprägt ist, ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, aus eigenem Antrieb ein klares Berufsziel zu entwickeln. Es wird ein klarer Weg gesucht und auch mit dem Arbeitgeber abgestimmt.
Die Teams als Steuerungsinstrument der Vereinbarkeit
Es lässt sich eine Verschiebung der Plattformen für Vereinbarkeitsthemen beobachten. Führungskraft und Beschäftigter handeln Lösungen miteinander aus, z.B. in jährlichen Mitarbeitergesprächen. Erfolgen diese Gespräche sehr unreflektiert, besteht eine hohe Gefahr der Blockade eines soliden Überblicks der Bedürfnisse des eigenen Mitarbeiters. Aber nur durch das Erkennen dieser Bedürfnisse und dem Abgleich bzw. der Schaffung eines unternehmerischen Angebots können maßgeschneiderte Lösungen geschaffen werden. Zentrale Organisationseinheiten, also Geschäftsleitung oder der Personalbereich wirken jetzt viel stärker in steuernder und beratender Funktion.
Start: Lebensentwurf – Ziel: individuelle Personalpolitik
Bei der Umsetzung einer Fachkräftestrategie spielt die familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik eine herausragende Rolle für die Arbeitgeber in Deutschland. Dafür braucht es aber ein zusammenhängendes Konzept zwischen den Einzelinstrumenten, den Lebensentwürfen der Mitarbeiter und den Werten, Prozessen und Strukturen in einer Organisation. Dies ist mit Hilfe einer individualisierten Personalpolitik möglich. Im Mittelpunkt steht der Mitarbeiter. Die Interessen des Mitarbeiter und des Unternehmens werden zusammengeführt.
Individualisierte Personalpolitik – Konkrete Umsetzungswege
- Gebt euren Mitarbeitern als Unternehmen den Raum, ihre individuellen Lebensentwürfe wertneutral sichtbar zu machen. Das meint keine vollständige Umsetzung dieser Vorstellungen. Es beschreibt vielmehr den Respekt und die Wertschätzung dieser unterschiedlichen Entwürfe.
- Lebensentwürfe lassen sich nur im Dialog und gelebter Praxis verstehen. Fördert den Dialog und seit konsequent in der gelebten Praxis! Kommunikation zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzten ist von herausragender Bedeutung zur Aushandlung der Vorstellungen. Seid verlässlich und macht keine leeren Versprechungen.
- Prüft eine Flexibilisierung vorhandener Arbeitsmodelle. Dabei geht die Betrachtung unterschiedlicher Teilzeitmodelle nicht weit genug. Vielmehr ist eine Arbeitskultur gemeint, die Passgenauigkeit hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort ermöglicht.
- Ermöglicht nicht-lineare Karrieremodelle! Hier spielen die Schlüsselwörter Be- und Entschleunigung eine große Rolle. Berücksichtigt die unterschiedlichen Prioritäten der Beschäftigen und nützt gegebene Potentiale besser aus.
- Ermöglicht die Plan- und Beherrschbarkeit der Arbeit. Vereinbarkeit gibt es nicht von der Stange. Es braucht ein Netz von Gestaltungsspielräumen. Es macht Sinn, erfahrene Personen einzusetzen, die Mitarbeiter und Führungskräften beim Ausgleich der gegebenen Interessen helfen und als Berater im Unternehmen bereit stehen.