Die Welt ist zum Dorf geworden. Wie aber führen wir Menschen im Team, die einen ganz anderen kulturellen Hintergrund haben, am anderen Ende der Welt in einer ganz anderen Zeitzone leben? Diese Erfahrungen hat Dr. Beat Bühler, Führungskraft bei Evernote, gemacht.
Virtuelle Teams sind die Zukunft. Unternehmen können auf diesem Wege Topleute bekommen oder an deren Knowhow kommen, auch wenn sie nicht bereit oder in der Lage sind umzuziehen. Das ist die eine Seite. Andererseits ist es einfach unmöglich, für jedes Fünf-Minuten-Meeting zehn Stunden zu fliegen: aus Umweltaspekten, aufgrund der anfallenden Flugkosten und der eigenen Lebensqualität. Wichtig ist dabei, dass es nicht darum geht, online oder offline wie schwarz und weiß voneinander zu trennen. Es geht vielmehr darum, das jeweilige Eine sinnvoll einzusetzen. Für eine Firma hat das den netten Nebeneffekt, das Unternehmen einen weltweiten 24/7-Betrieb aufrechterhalten können. Bei Evernote ist der Kundendienst in Japan schon wach und kann die Tickets von Europa bearbeiten, obwohl dort noch friedlich geschlummert wird. Beginnt der Kundendienst in Deutschland, kann er übernehmen und kann schon morgens um 9 Uhr Lösungen präsentieren, die zuvor in einer anderen Zeitzone erarbeitet wurde.
Regeln als Fundament virtueller Teams
Dr. Beat Bühlmann war Teil der Entwicklung eines sogenannten Kommunikationsführerscheins für virtuelle Teams. Diesen braucht es, weil wir Kommunikation nicht lernen. Für die unterschiedlichsten Lebenssituationen müssen wir Nachweise erbringen: jeder der von uns ein Fahrzeug führt, muss vorher eine Führerscheinprüfung bestehen. Wir müssen gewisse Regeln kennen, damit nicht das blanke Chaos auf der Straße ausbricht. Man stelle sich nur mal vor, was wäre, wenn es das Rechtsfahrgebot nicht gäbe und jeder kreuz und quer fahren würde……. Auch das ein Bremsweg benötigt wird oder die Gefahr des toten Winkels besteht ist wichtiges Wissen. Aber von Kommunikation wissen die meisten von uns so gut wie gar nichts. Wer von uns hat schon gelernt, wie man richtig mit E-mails umgeht?
Multiple Kommunikationskanäle
Die Firmen haben heutzutage viele unterschiedliche Kommunikationskanäle: Telefon, Hauspost, E-mails, verbale und Remote-Meetings, Chat. Wir alle stehen tagtäglich vor dem multiplen Overload. Wir haben nämlich alles nicht in der Schule gelernt, wie man mit all diesen Kanälen umgehen soll. Es herrschen keine grundlegenden und allgemeinen Regeln, welche Kommunikationskanäle zwingend notwendig sind. Es gibt Situation in denen die Wahl eindeutig ist und leicht fällt. Brennt mein Nachbarhaus komme ich wohl nicht auf die Idee, die Feuerwehr per E-Mail zu alarmieren. Im Notfall machen wir alle das automatisch richtig. Im Alltag allerdings entscheiden wir uns häufig für den „falschen“ Kanal.
Die Welt im Triple Overload
Wir sind heute fast alle in dreifacher Hinsicht überlastet: mit Kommunikation, Daten und kognitiv. Die Forschung hat gezeigt, dass der durchschnittliche „Kopfarbeiter“ zwei bis zweieinhalb Stunden am Tag nach Informationen sucht. Das entspricht fast 30 Prozent der Lohnkosten. Das Marktforschungsinstitut IDC hat ermittelt, dass sich das Datenvolumen schon in den nächsten vierzehn Monaten verdoppelt haben wird. Unvorstellbar – es wird mit der Datenüberlastung noch schlimmer. Aber es geht noch weiter: Alles drei bis fünf Minuten werden die „Knowledge-Worker“ von Notifications unterbrochen. Die Hirnforschung ist in diesem Zusammenhang eindeutig: Wir müssen 30 bis 40 Minuten ohne Unterbrechung an etwas denken und arbeiten, um die Zusammenhänge zu erkennen.
Technische Lösungen zur Reduzierung der Überlastung
Es reicht nicht, einfach nur ein Tool zu kaufen. Denn: „a fool with a tool is still a fool.“ Der Lösungsvorschlag zum Triple Overload: Zuerst Psychologie und dann Technologie. Wir sollten das Handy getrost mal eine Stunde auf Flugmodus stellen. Jetzt kann ich einfach mal lesen, denken, etwas aufzeichnen oder mit Leuten etwas besprechen – das nennen wir Attention Management. Attention Management könnte das wichtigste Killer-Feature der Zukunft werden – die Aufmerksamkeit zu fokussieren haben die meisten Knowledge-Worker nie richtig gelernt.
E-Mail und Kalenderregeln fürs Team
Bei Evernote herrscht die Vereinbarung, dass ab sieben Uhr abends niemand mehr E-mails bearbeiten muss. Dringliche Kommunikation findet nicht über E-Mail statt. Sicherlich kann die Nachricht wichtig sein, das kann allerdings warten. Dringliches nicht. Aber diese Unterscheidung machen viele Menschen nicht, oder sie kennen sie erst gar nicht. Wir müssen den richtigen und angemessenen Kommunikationskanal wählen. Wenn etwas wirklich dringend ist, macht es Sinn zu telefonieren.
Verantwortung kann man nicht per E-mai senden.
Außerdem ist bei Evernote die Kalenderhygiene wichtig. Wir alle kennen Kollegen, die bei Termineinladungen keine Rückmeldung geben. Weiß ich aber nicht, wer kommt, kann ich kein sinnvolles Meeting abhalten. Und es ist wirklich respektlos, nicht zu- oder abzusagen. Die klare Vereinbarung bei Evernote lautet: „ich komme“ oder „ich komme nicht“. Wer es nicht schafft, am Meeting teilzunehmen, schreibt einen kurzen Text. Es ist wichtig und von großer Bedeutung, dem Einladenden zu antworten. Im Kalendereintrag ist immer eine Agenda zu finden mit Dokumenten, die der Vorbereitung dienen. Keiner kann sich mehr herausreden, er hätte im Vorfeld keine Informationen bekommen. Die Qualität der Meetings bei Evernote hat sich durch diese wenigen Regeln stark verbessert. Das ist von besonderer Bedeutung, damit die wenige Zeit, die wir gemeinsam verbringen, auch bestmöglich genutzt wird. In virtuellen Teams hat die Drei-W-Regel eine besondere Bedeutung: Wer macht was bis wann?
Virtuelle vs. Klassische Teams
Betrachten wir erst mal die Gemeinsamkeiten aller Teams. Katzenbach und Smith definieren Teams als kleine Anzahl von Menschen mit Kompetenzen, die sich ergänzen. Sie alle haben die gleichen Ziele, für die alle verantwortlich sind. Und schon sind wir wieder beim Fußball: Entweder gewinnen alle oder keiner. Diese Definition gilt für konventionelle und virtuelle Teams.
Allerdings brauchen die Teammitglieder im virtuellen Team noch weitere Skills. Viele von uns brauchen die Nähe anderer bei der Arbeit, jemanden, der ihnen sagt, was sie zu tun haben. Diese Menschen sind für jeden Job einsetzbar, aber in einem virtuellen Team sind Personen gefragt, die selbständig sind – die Arbeit sehen und nicht warten bis die Arbeit auf sie stößt oder der Chef auf Sie zukommt. Sie müssen weiter voraus denken und sich in andere Menschen und Situationen einfühlen können. „Beim Kollegen in Jakarta ist jetzt Nacht, im Iran findet gerade das Gebet statt, da ist aktuell kein Meeting möglich.“
Führungskräfte in virtuellen Teams sollten Regeln nicht vorgeben. Vielmehr sollten sich Regeln aus der gemeinsamen Arbeit und Kommunikation mit dem Team entwickeln. Zwei Drittel der Führungskräfte, die zum ersten Mal ein virtuelles Team führen, scheitern. Virtuelle Teams sind anders. Du solltest wissen, welche Art virtuelles Team du hast. Und das fängt damit an, dass wir nicht im selben Stockwerk arbeiten. Level 2 ist die Arbeit in verschiedenen Städten, wir sprechen aber noch die gleiche Sprache. Die Arbeit in verschiedenen Zeitzonen erhöht die Komplexität weiter: jetzt müssen wir mit verschiedenen Sprachen, Religionen, kulturellen Normen und vielen anderen Unterschieden umgehen.
Inspiration zu diesem Beitrag: Virtual Team Management: Tipps von Beat Bühlmann | Personal | Haufe